PM: Fahrbahndecken-Sanierung in der Bürgerstraße als Missachtung des Bürgerentscheids

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen kritisiert die Fahrbahndecken-Sanierung in der Bürgerstraße als Missachtung des Bürgerentscheids.

Das BfnS kritisiert die Sanierung der Fahrbahndecke in der Bürgerstraße als erste Weichenstellung in der Reaktion auf den Bürgerentscheid vom 09.06.2024 – und als Missachtung der im Radentscheid 1 in Absatz 5 Satz 2 getroffenen Entscheidung, den Umbau der Bürgerstraße prioritär zu behandeln. Das BfnS wirft der Stadt vor, gar nicht vorzuhaben, den Bürgerentscheid in diesem Punkt umzuzsetzen. Die Entscheidung der Stadt zieht zudem weitere Konsequenzen im Hinblick auf eine unveränderte Verkehrsführung am Rosdorfer Weg bis zum Brauweg nach sich.

Von besonderer Dringlichkeit wurde bereits 2016 die Verbreiterung des Radwegs an der Südwestseite erkannt. Von Bedeutung ist insbesondere der Abschnitt zwischen Groner Tor und Rosdorfer Weg, welcher eine bedeutende Verbindung zwischen Teilen der Südstadt und dem Bahnhof bildet. Die Umgestaltung dieses Abschnitts der Bürgerstraße wurde 2016 von den Grünen beantragt und im Dezember 2016 im Bauausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU und FDP beschlossen. Die Verwaltung erarbeitete zwar ein Konzept, setzte dies jedoch danach nicht um. Im 2018 vom Rat beschlossenen Radverkehrsentwicklungsplan war der Umbau der Bürgerstraße als prioritäres Projekt aufgeführt – auch diesen Beschluss setzte die Verwaltung nicht um.

Durch die nun in den Sommerferien vorgenommene Sanierung der Fahrbahndecke auf der Bürgerstraße zwischen Groner Tor und Lotzestraße wurde bereits jetzt die Entscheidung getroffen, die Bürgerstraße auch weiterhin nicht im Sinne der demokratisch gefassten Beschlüsse umzubauen. Bei einem Umbau müsste der Unterbau der Straße auf der Südwestseite verändert, die Mittelinsel entfernt und die Kfz-Fahrbahn um etwa 1,50 Meter nach Nordosten verschoben werden. Hierzu muss im ersten Schritt die Fahrbahndecke abgefräst werden.

“Es ist vollkommen klar, dass die Stadt die Fahrbahndecke in diesem Sommer nicht erneuert, nur um sie kurze Zeit später bei einer Umsetzung des Bürgerentscheids wieder abzufräsen. So vorzugehen wäre eine massive Verschwendung von Steuergeldern. Bereits in den ersten Tagen nach dem Votum an der Wahlurne missachtet die Stadt die demokratisch getroffene Entscheidung von 27500 Einwohnerinnen und Einwohnern dieser Stadt – ganz davon abgesehen, dass sie auch den vom Rat beschlossenen Radverkehrsentwicklungsplan missachtet”, so Francisco Welter-Schultes, Mitglied des Rates.

Die Verwaltungsspitze hat massiv Wahlkampf gegen den Radentscheid betrieben und, wie sich an diesem Detail zeigt, nicht damit gerechnet, dass sie verlieren könnte. Die Beauftragungen an die Firmen zur Fahrbahndeckensanierung sind lange vor der Abstimmung herausgegangen. Die Verwaltung wusste genau, dass der Umbau der Bürgerstraße in beiden Radentscheiden als vorrangiges Projekt aufgeführt war, und hatte dennoch bereits vor der Abstimmung entscheiden, ein positives Votum der Wahlbevölkerung zu missachten.

Was auch immer die Verwaltung in den Sommerferien zur geplanten Umsetzung des erfolgreichen Bürgerentscheids ausarbeitet – der Umbau der Bürgerstraße zwischen Groner Tor und Rosdorfer Weg wird nicht dabei sein. Die Entscheidung hat im Dominoeffekt Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung der Fahrradverbindungen im gesamten Stadtviertel zwischen Groner Tor und Jahnstadion.

Eine Protected Bike Lane und eine Freigabe des Nordteils des Rosdorfer Wegs in Gegenrichtung der Einbahnstraße wird nun ebenfalls sehr unwahrscheinlich – denn es macht keinen Sinn, den Rosdorfer Weg im Nordabschnitt für den Radverkehr Richtung Bahnhof freizugeben, wenn Fahrräder dann an dem kurzen Abschnitt der Bürgerstraße zum Groner Tor den Radweg nicht in der Gegenrichtung benutzen dürfen. Das wiederum bedeutet, dass eine Protected Bike Lane am Rosdorfer Weg zwischen Schiefer Weg und Brauweg auch weitgehend sinnfrei wäre, da bereits jetzt entschieden wurde, dass es in absehbarer Zeit keinen legalen Anschluss Richtung Bahnhof geben wird.

Diese Strecke stand ausdrücklich im Radentscheid 2. Der Radentscheid 2 wurde in Göttingen zwar mit 46 % Zustimmung mehrheitlich abgelehnt, jedoch votierte die ansässige Bevölkerung in den Wahlkreisen des Leineviertels und der Südstadt (Wahlbezirke 503, 504, 505, 521) mit fast 60 % für den Radentscheid 2 (für den Radentscheid 1 mit 68 %).

Die Stadt könnte in ihrer Erwägung, welche Straßen für die im Radentscheid 1 beschlossenen 1,5 km Protected Bike Lanes pro Jahr in Frage kommen, auch den Rosdorfer Weg berücksichtigen – hat sich jedoch bereits jetzt dagegen entschieden und schafft gegen den ermittelten Willen der örtlichen Bevölkerung vollendete Tatsachen, ohne den Rat zu konsultieren.

“Die hohe Zustimmung für den Radentscheid 2 in einigen Stadtvierteln würde ich als Schuss vor den Bug verstehen. Die Stadt ist mit dem abgelehnten Radentscheid 2 gerade nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen und kann nun freier auswählen, welche Straßen sie als Protected Bike Lanes ausweisen und wann und in welchen Abschnitten sie die Bürgerstraße umbauen will. Wenn sie den abgelehnten Radentscheid 2 allerdings als Lizenz begreift, jetzt gar nichts konkret tun zu müssen und sie in den Stadtvierteln nichts an den Verkehrsführungen wirklich ändert, hat sie die Lektion nicht verstanden”, so Welter-Schultes.


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen
– Der Vorstand –

PM: Einzelpunkte im Radentscheid 1 fielen nicht vom Himmel

BfnS-Analyse zeigt: die Einzelpunkte im Radentscheid Nummer 1 fielen nicht vom Himmel!

Viele der Forderungen, die im Radentscheid 1 enthalten waren und am 09.06.2024 durch das Mehrheitsvotum von der Bevölkerung beschlossen wurden, entsprechen verkehrspolitischen Anliegen, die an die Verwaltung schon seit vielen Jahren herangetragen wurden und bei denen Verwaltung oder Ratsmehrheit beständig weggehört haben. Diese Probleme sind nicht verschwunden, sie hatten sich angestaut. Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung hat eine Auswahl an Anträgen zusammengestellt, die zu den einzelnen Kapiteln im Radentscheid passen. Dabei ist festzustellen, dass sich beim Thema Radverkehr fast alle Parteien dieser Aufgabe gestellt hatten.

Die Liste der Anträge, die seit Jahren erfolglos gestellt wurden, und die durch den angenommenen Radentscheid nun alle in eine direkte Beauftragung der Verwaltung münden, ist erstaunlich lang. Sie umfasst mindestens 19 Anträge ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Fast zu jedem Kapitel muss die bisherige Haltung von Stadtverwaltung oder Rat revidiert werden. Manche Anträge wurden von der Ratsmehrheit abgelehnt, manche wurden behandelt und dann von der Verwaltung abgelehnt und nicht umgesetzt, etliche wurden nach dem Einbringen gar nicht erst behandelt.

Wenn Probleme wie Raserei in Wohngebieten oder das illegale Durchfahren der Innenstadt mit Privatautos und Lieferdiensten nach 11 Uhr über Jahre nicht angegangen werden, erzeugt auch das große Unzufriedenheit. Im Radentscheid haben sich lange aufgestaute Unzufriedenheiten entladen. Wäre nicht so beständig jede neue Idee abgelehnt worden, und wäre die Stagnation in der Verkehrspolitik nicht so sehr auf die Spitze getrieben worden, dann wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, 16 Monate harte Arbeit zu investieren und einen Bürgerentscheid zu erzwingen.

In der Baupolitik ist es nicht anders – auch auf diesem Gebiet sollten Bürgerentscheide in Niedersachsen erlaubt werden. Am Dragoneranger in Weende hatte sich 2021 in der Kommunalwahl gezeigt, wie weit die Stadtverwaltung sich von der Bevölkerung entfernt hatte. Umstrittene Bauprojekte wie Auf der Lieth in Nikolausberg oder das Feuerwehrhaus in Geismar verbessern nicht die Stimmung, Zufriedenheit und das Ansehen der Verwaltung in der Bevölkerung.

Alle abgewiesenen oder nie behandelten Anträge müssen jetzt umgesetzt werden. Die Verkehrswende bekommt in diesen Zeilen konkrete Züge.

Radentscheid 1
Bezüge der Kapitel des Bürgerentscheids zu Rats- und Ortsratsanträgen

  1. Strategiewechsel zur Radverkehrsförderung

1d. Aussetzen der Strategie der Gleichberechtigung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes SPD und Grüne-Antrag 31.05.2018 Ortsrat Geismar und SPD 29.11.2018 zu Verkehrsberuhigung Am Rischen

-> Antwort der Verwaltung vom 28.03.2019:
Eine Verkehrsberuhigung wird abgelehnt, kein einziger von 11 detaillierten Lösungsvorschlägen wird akzeptiert und umgesetzt. Zentraler Punkt der Ablehnungsbegründung:

“Da der Straßenzug von der GöVB-Buslinie 12 befahren wird, sollten keine Maßnahmen ergriffen werden, die das komfortable Befahren durch den Bus beinträchtigen.” (Dies ist ein besonders markantes Beispiel, weil es so klar dokumentiert ist, aber es ist nur eines von vielen.)

1f. Temporäre Kfz-Durchfahrtverbote an Schulen BfnS-Änderungsantrag 06.10.2022 “Verkehrssicherheit an der Hagenbergschule” (probeweise Sperrung der Pappelallee, Schranke oder Poller mit Zugang nur für Dienstfahrzeuge)

-> Antrag im Bauausschuss eingebracht am 22.06.2023:
wurde fast einstimmig ein unveränderter Ursprungsantrag beschlossen, dort nicht zu sperren, sondern stattdessen mit städtischen Haushaltsmitteln den Elterntaxiverkehr zu fördern. Die Baumaßnahmen wurden bis Mitte 2024 nicht in die Wege geleitet. Der Beschlusspunkt im Bürgerentscheid müsste nun zu einer erneuten Prüfung unter der Maßgabe der Einrichtung eines mehrheitlich gewünschten temporären Kfz-Durchfahrtverbots führen.

  1. Sichere Radverkehrsanlagen

2c. Negativbeispiel Danziger Straße

-> Die Verwaltung wurde am 24.11.2019 in einer Stellungnahme mit Fotodokumentation über die Probleme in der Danziger Straße informiert, getan hat sich nichts. Als die Asphaltdecke 2023 nach Tiefbauarbeiten erneuert wurde, wurden genau dieselben problematischen Markierungen erneut so wie vorher aufgebracht.

2e. Bauliches Ermöglichen von Überdachungen bei Radwegeneubau Direkt hierzu gab es bislang keinen Ratsantrag, aber damit verwandt war ein Antrag nach Überdachung eines Radweges:

Piraten-Antrag 13.09.2019: “Überdachung des Radweges an der Robert-Koch-Straße”

-> Ratsantrag, direkt von allen Abgeordneten bis auf F. Welter-Schultes (BfnS) und E. Schu (GöLinke) abgelehnt.

2.2. Protected Bike Lanes

2.2c. Merkelstraße und Friedländer Weg als Einbahnstraßen in gegenläufiger Richtung Piraten-Antrag 17.05.2019 “Merkelstraße und Friedländer Weg werden Einbahnstraßen”

-> Ratsantrag, überwiesen in den Umweltausschuss, dort nie behandelt.

  1. Kreuzungen sicher gestalten

3a. Abmarkieren von Aufstellungsbereichen BfnS-Antrag 17.02.2023 “Fahrradgerechte Markierung der Aufstellfläche Danziger Straße Ost”

-> Ratsantrag, überwiesen in den Umweltausschuss, dort nie behandelt.

3.1 Einmündungen und Grundstückszufahrten

3.1a. Bordsteinabsenkungen an Nebenstraßen Piraten-Antrag 24.10.2019 “Fahrbahnübergänge von Hauptstraßen auf Nebenstraßen ohne harten Bordstein” (Antrag wurde gestellt, nachdem die Verwaltung 2 Jahre zuvor am 24.10.2017 die Zusage gegeben hatte, zukünftig keine harten Bordsteine mehr einzusetzen – und es 2019 wieder getan und sich auf den Standpunkt gestellt hatte, die Zusage sei nie gegeben worden).

-> Antrag im Bauausschuss eingebracht, die Verwaltung wollte eine Vorlage erstellen und legte nie eine vor.

3.1c. Negativbeispiel Hainholzweg

BfnS-Antrag 13.10.2023 “Der Bordstein am Übergang zwischen Park und Hainholzweg wird auf Nullniveau abgesenkt, so wie es vor 2019 der Fall war.”

-> Ratsantrag, überwiesen in den Umweltausschuss, dort nie behandelt.

3.2 Ampeln rad- und fußverkehrsfreundlicher schalten

3.2a. Abschaffung der Bettelampeln

Piraten-Antrag 04.04.2019 “Rücknahme der Bettelampelschaltungen in Göttingen”

-> Ratsantrag, überwiesen in den Umweltausschuss, dort nie behandelt.

3.2d. Anbringen des Fahrrad-Grünpfeils (Zeichen 721 StVO) Piraten-Antrag 25.09.2015 “Fahrrad Grünpfeile” mit detaillierter Liste und Fotodokumentation von 60 geeigneten Stellen im Stadtgebiet

-> Die Verwaltung lehnte die Anregung eines Pilotprojekts ab, später auch die Beteiligung an einem Pilotprojekt, an dem 10 deutsche Städte teilnahmen.

Piraten-Antrag 15.11.2019 “Die Stadt bereitet sich auf die Einführung von Fahrrad-Grünpfeilen vor”

-> Ratsantrag, überwiesen in den Umweltausschuss, dort nie behandelt.

FDP-Antrag 25.08.2020 “Grünpfeil für Radverkehr” (Prüfantrag, wo das Zeichen eingesetzt werden kann)

-> Die Verwaltung stellte klar, dass sie nur einige wenige Stellen beschildern wolle, nicht alle 60.

Grünen-Antrag 29.09.2020 “Anwendung der StVO-Novelle in Göttingen” mit etlichen Kreuzungen, die für den Fahrrad-Grünpfeil geeignet wären.

-> Antrag im Umweltausschuss eingebracht, dort behandelt am 25.01.2022. Die Verwaltung sagte zu zu prüfen, welche Kreuzungen in Frage kämen. Die Ergebnisse der Prüfung wurden bis Mitte 2024 nicht vorgelegt.

Von sich aus brachte die Verwaltung Anfang 2023 einen Fahrrad-Grünpfeil an einer Stelle am Geismar Tor an, die nicht in der Fotodokumentation von 2015 enthalten war, weil die Straßenverhältnisse an dieser Stelle  (querende Straße mit hohem Kfz-Verkehrsaufkommen) nicht den strengen deutschlandweit bekannten Kriterien für die Anbringung des Grünpfeils entsprachen – zwei Wochen später musste die Verwaltung diesen Grünpfeil wieder abmontieren.

  1. Fahrradabstelllanlagen

4b. Fahrradbügel auch in der Fußgängerzone 1 CDU-Antrag 13.12.2019 “600 neue Fahrrad-Parkplätze für die Innenstadt”

BfnS-Antrag 13.03.2020 “1262 weitere Fahrrad-Parkplätze für die Innenstadt”

-> Ratsanträge, die sich örtlich ergänzten, überwiesen in den Bauausschuss, dort am 02.07.2020 behandelt. Die Bügel in der Fußgängerzone 1 waren im CDU-Antrag enthalten. Die Verwaltung lehnte die Fahrradbügel in der Fußgängerzone 1 ausdrücklich ab – die Parteien erhoben keine Einwände und ließen die Verwaltung gewähren.

  1. Planung und Service

5a. Vorrangige Umgestaltung Bürgerstraße und Rosdorfer Weg Grünen-Antrag 17.06.2016 ” Fortsetzung des Radschnellwegs nach Rosdorf – Gefahrlose Anbindung an die Göttinger Südstadt”

-> Ratsantrag, überweisen und am 08.09.2016 und 08.12.2016 im Bauausschuss mit Vorlage behandelt, mehrheitlich dort gegen CDU und FDP beschlossen, danach von der Verwaltung nie umgesetzt.

5b. Baustellen

Piraten und Partei-Antrag 17.11.2017 “Optimierung der Baustellenplanung und darstellung, Baustellenkontrolle” mit Ausschilderungen der Umleitungen für Rad- und Fußverkehr

-> Ratsantrag, auf Antrag der SPD mit Stimmen von SPD und CDU mehrheitlich direkt abgelehnt.

5c. Winterdienst

Piraten und Partei-Antrag 16.02.2018 “Anpassung des Winterräumdienstes für Fahrradwege…”

-> Ratsantrag, die Überweisung in den Umweltausschuss wurde mehrheitlich abgelehnt von SPD, CDU und FDP.

5e. Wegweisung von Radverkehrs-Nebenstrecken Grüne und SPD-Antrag 28.11.2019 Ortsrat Geismar “Ausschilderung einer Fahrradroute Geismar (Hauptstr.) – Albaniplatz”

-> Ortsratsantrag, abgelehnt von der Verwaltung am 30.01.2020.

Grüne und SPD-Antrag 30.11.2023 Ortsrat Geismar “Fahrradroute Geismar (Hauptstr.) – Cheltenhampark / Albaniplatz”

-> Erneut gleichlautender Ortsratsantrag, erneut abgelehnt von der Verwaltung am 29.02.2024.


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen
– Der Vorstand –

PM: BfnS begrüßt Bürgerentscheid zum Radverkehr

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung hatte als erste Gruppierung im Rat schon seit Herbst 2023 den Radentscheid unterstützt und begrüßt das Abstimmungsergebnis des Bürgerentscheids.

Mit dem mit 54 % Mehrheit angenommenen Radentscheid 1 müssen viele sinnvolle Maßnahmen nun in die Wege geleitet werden. Das BfnS fordert die Stadt auf, die Personalkapazitäten bereitzustellen, um die Arbeit zu bewältigen.

Dass der Radentscheid 2 mit den konkreten Straßen bei 54 % Nein nicht angenommen wurde, bedeutet, dass die Verwaltung mehr Spielraum bei der Umsetzung der Maßnahmen hat – nicht aber, dass sie nichts von dem umsetzen muss, was dort enthalten war. Erstens haben beachtenswerte 46 % dem zweiten Radentscheid zugestimmt (mit Mehrheiten in der Südstadt, Innenstadt und Nordstadt, darunter in 9 von 20 Wahlbezirken, die von wegfallenden Parkplätzen betroffen wären), und zweitens stehen die Maßnahmen des zweiten Radentscheids etwas offener formuliert auch im ersten Radentscheid.

Von zentraler Bedeutung hierbei: Die Einrichtung von 1,5 km Protected Bike Lanes pro Jahr (Friedländer Weg und Merkelstraße stehen auch im ersten Radentscheid als Beispiel aufgeführt) sowie die sichere Umgestaltung der bestehenden Fahrradstraßen.

“Der abgelehnte Radentscheid 2 ist keine Lizenz zum Ausruhen auf diesem wichtigen Teilgebiet. Etliche im Radentscheid 2 aufgeführte Straßen werden zu denen gehören, die sich die Stadt aussuchen kann, um mindestens 1,5 km Protected Bike Lanes pro Jahr einzurichten. Sie wird sich zeitnah überlegen müssen, wo sie anfängt”, so Francisco Welter-Schultes, Mitglied des Rates. “Ich kann verstehen, wenn im ersten Jahr keine 1,5 km erreicht werden, wie es Herr Look im Deutschen Theater am 12. Juni andeutete. Im zweiten Jahr ist dann aber der Rückstand aufzuholen, was bedeutet, dass der Erwartungswert dann bei 3 km liegt. Darauf kann man sich jetzt schon einstellen.”

Göttingen hat ein für die deutsche Verkehrspolitik einmaliges Zeichen gesetzt. 54 % ist nicht nur eine stabile Mehrheit, sie wurde auch trotz widriger Umstände erzielt. Die Göttingerinnen und Göttinger haben gezeigt, dass sich die Zeiten geändert haben und in einer Großstadt Mehrheiten für eine Änderung in der Verkehrspolitik mit zeitgemäßen Ansätzen erreichbar sind.

Bei faireren Bedingungen wäre die Zustimmung höher ausgefallen. Die Initiatorin erhielt keine Erlaubnis zu plakatieren. Die SPD-geführte Verwaltungsspitze verletzte permanent ihre Neutralitätspflicht, SPD, CDU und FDP warben massiv für ein Nein, teils auch mit Falschinformationen. Fast alle bedeutenden Interessenverbände, die städtische Busgesellschaft GöVB und sogar der Fußballverein FC Grone sprachen sich gegen den Radentscheid aus, egal ob sie betroffen wären oder nicht. Die örtliche Tageszeitung gab solchen Stellungnahmen breiten Raum, brachte jedoch nicht ein einziges Mal ein Interview mit der Initiatorin der beiden anstehenden Bürgerentscheide. Das im Rat vertretene Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung wurde in der Berichterstattung im gesamten Wahlkampf fast vollständig ignoriert. Aber auch die Grünen wurden so behandelt, als wären sie eine 5-Prozent-Partei und nicht die Partei, die seit 2021 die mit 8 % Abstand stärkste Partei in dieser Stadt ist. Auch dass die Linken und die Gewerkschaft ver.di den Radentscheid unterstützten, erfuhr kaum jemand.

Die 54 % sind vor diesem Hintergrund eine erstaunliche Leistung einer gänzlich auf freiwilligem Engagement beruhenden Teilgruppe der Klimaschutzbewegung, die sich rein aus privaten Spenden finanziert.

Wahlanalyse

Anders als die Grünen können wir in unserer Analyse nicht beobachten, dass im Westen Göttingens die Zustimmung geringer ausfiel als in Geismar oder der Oststadt. Auch scheint die fehlende Zustimmung in den eingemeindeten Dörfern wenig mit der schlechten Radweganbindung zu tun zu haben. Ebenso gering wie in Esebeck, Hetjershausen und Knutbühren war die Zustimmung in Roringen und Herberhausen – diese Orte sind gut mit Radwegen an die Stadt angeschlossen.

Auch in anderen Städten wie Erlangen wurde am Sonntag dieser Effekt beobachtet – die Landbevölkerung wählt generell konservativer und kann mit Forderungen nach einer Verkehrswende wenig anfangen. Sie zeigt wenig Verständnis für Menschen im Kernstadtgebiet, die unter zu viel Autoverkehr, Lärm, Abgasen und verstopften Straßen leiden und gerne selbst sicherer mit dem Rad durch die Stadt fahren möchten. Je schlechter die Luft in der Innenstadt und der mit wenig Bäumen bestandenen Nordstadt, desto höher fiel die Zustimmung zum Radentscheid mit teils über 80 % in einigen Wahlbezirken aus.

 Grafik 1: Stimmenanteile in Radentscheid 1

Grafik 2: Stimmenanteile in Radentscheid 2


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen
– Der Vorstand –