PM: Abnahme des Radverkehrs in Göttingen

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung bedauert die Abnahme des Radverkehrs in Göttingen um 33 %.

Bei der Auswertung der für 2020 jetzt vorliegenden Zahlen zum Göttinger Radverkehrsaufkommen [1] stellt das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung mit Bedauern fest, dass die Corona-Pandemie in der Stadt zu einer starken Abnahme des Radverkehrs um etwa 33 % geführt hat.

Während 2019 an den fünf Zählanlagen noch etwa 5,5 Millionen Fahrräder vorbeifuhren, brach diese Zahl 2020 auf 3,8 Millionen Räder ein. An keiner Zählanlage wurde 2020 die magische Grenze von einer Milllion überschritten. 2019 geschah dies vor Jahresende an drei Zählstellen (Robert-Koch-Straße, Weender Tor und Berliner Straße). Am Christophorusweg und am Weender Tor betrug der Rückgang etwa 40 %. Mit etwa 25 % fiel der Rückgang an den Zählstellen Berliner Straße und Nikolausberger Weg weniger deutlich aus. Am Weender Tor fuhren 2015 noch 1,7 Millionen Fahrräder über die im Boden eingelassene Zählanlage. Dieser Wert hatte sich seitdem um etwa 2-3 % pro Jahr verringert und lag 2019 bei 1,54 Millionen – 2020 lag dieser Wert nun erstmalig unter einer Million.

Die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs nahm während der Lockdown-Phasen in allen Städten ab, auch in Göttingen wurde darüber schon berichtet. Gegen den Trend scheinen die Busfahrgäste in Göttingen jedoch kaum messbar auf das Fahrrad umgestiegen zu sein. Vergleichbare Daten zur Entwicklung des Kfz-Verkehrs werden von der Stadt nicht bereitgestellt. Das Bündnis fordert regelmäßige jährliche Kfz-Verkehrsdichtemessungen an ausgewählten Stellen und deren Veröffentlichung, um ein Monitoring zu erhalten, wie der Verkehr sich entwickelt. Die Reduktion der Kfz-Fahrleistung auf den städtischen Straßen um 30 % bis 2025 bei gleichzeitiger Erhöhung der Fahrleistung im Radverkehr ist ein städtisches Klimaschutzziel – doch wenn die Stadt nur Radverkehr misst, nicht aber Kfz, kann sie die Einhaltung der Ziele nicht prüfen.

Quellen

[1] In Göttingen gibt es fünf Fahrrad-Zählanlagen, die es der Öffentlichkeit ermöglichen zu beobachten, wie sich das Radverkehrsaufkommen in Göttingen entwickelt. Die Daten der fünf Zählanlagen werden von der Stadt auf Anfrage bereitgestellt.

Jahres-messungBerliner Str.Weender TorNikolausberger WegChristopherus-wegRobert-Koch-Str.*
201794695715841437680116219531022000
201885336015748328321125886891054000
2019104848615422258985907934041005000
2020789624961139665290452011793000
*Die Zählanlage an der Robert-Koch-Straße weist einen Defekt auf,
die Daten basieren auf fehlerbereinigten Werten.

Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze

PM: OB-Wahlempfehlung

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung empfiehlt die Wahl von Doreen Fragel zur Oberbürgermeisterin.

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung gibt für die Wahl zur Oberbürgermeisterin am 12.09.2021 eine Empfehlung zugunsten der Grünen-Kandidatin Doreen Fragel. Dies beschloss die Plenumskonferenz des Bündnisses ohne Gegenstimmen am 11.01.2021. Die Satzung des Bündnisses sieht für eine solche Wahlempfehlung eine hohe Hürde von mehr als 50 % aller Mitglieder des Bündnisses vor, welche übertroffen wurde. Gleichzeitig beschloss das Bündnis, auf eine eigene OB-Kandidatur zu verzichten.

Folgender Text wurde auf der Plenarversammlung beschlossen:
“Doreen Fragel ist aus Sicht des Bündnisses die beste Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin. Die globalen Herausforderungen unserer Zeit verlangen nach einer entschiedenen Umkehr hin zu einer nachhaltigen Politik. Wir trauen Doreen Fragel zu, die daraus resultierenden Aufgaben auf lokaler Ebene in Göttingen erfolgreich anzugehen und zu bewältigen.
Ausschlaggebend für uns sind Fragels glaubwürdiges Eintreten für eine sichtbare Wende in der Verkehrs- und Energiepolitik und vor allem ihre Zusage, dass sich der Stil im Umgang mit der Göttinger Bevölkerung ändern wird. Wirkliche Bürgerbeteiligung heißt für uns, dass die Bevölkerung bei umstrittenen Themen mitentscheiden kann und dass Mehrheiten in der Bevölkerung auch in konkrete Politik münden. Das heißt insbesondere – eine Mehrheit im neuen Rat vorausgesetzt – zur Frage der hochgradig umstrittenen Dragoneranger-Fläche wird es eine stadtweite Bürgerbefragung geben: Bebauung Ja oder Nein.
Die Antwort der Göttinger Bevölkerung wird gleichzeitig eine Weichenstellung für den zukünftigen Umgang mit Acker- und Naturflächen beinhalten – Dragoneranger ist überall! Wir sind uns sicher, dass die Bevölkerung in Göttingen weiter denkt als die bisher amtierenden Entscheidungsträger*innen.
Von der Wahl Doreen Fragels zur Oberbürgermeisterin erwarten wir, dass sich in unserer Stadt etwas ändert. Wir freuen uns über diese Perspektive und spüren eine Aufbruchstimmung.”

Im Vorfeld hatte es längere Verhandlungen von Delegationen der Grünen und des Bündnisses gegeben, in denen breite inhaltliche Übereinstimmungen festgestellt wurden, vor allem in der Energie- und Klimaschutzpolitik. Ein konkreter Arbeitskatalog mit weit über 30 Anliegen an die Grüne OB-Kandidatin umfasste etliche Politikbereiche mit Schwerpunkten in Fragen der Bürgerbeteiligung und der Verkehrspolitik, aber auch Umweltfragen wie die Ausgliederung der Unteren Naturschutzbehörde aus dem Baudezernat. Diese soll im Fall der Wahl Fragels der Oberbürgermeisterin direkt unterstellt werden.

In puncto Bürgerbeteiligung kritisiert das Bündnis, dass die Verwaltungsleitung ihren eigenen Bürgern bei umstrittenen Bauprojekten bislang nicht mehr zugestand als diese darüber zu informieren, was die Stadt entschieden hatte. Viele Mitglieder des Bündnisses sind in diesem Punkt auch von den Grünen enttäuscht, die über lange Jahre, insbesondere im Umgang mit Bürgerinitiativen vor Ort, enttäuschte Wähler*innen zurückließen. Sie sehen jedoch auch, dass Parteien sich fortlaufend ändern und immer wieder erneuern. Wie sich bereits in der Dragoneranger-Frage zeigt, kann in der kommenden Ratsperiode unter Doreen Fragel eine Änderung im Umgangsstil mit Bürgern erwartet werden. OB-Kandidatin, Grüne und das Bündnis sind sich zudem darin einig, dass Studierende mit beratender Stimme in den Ratsgremien beteiligt werden und in allen Vierteln Göttingens Stadtbezirksräte eingerichtet werden sollen – wenn es sein muss, auch gegen die Stimmen von SPD und CDU.

Im Bereich Verkehr sind die Defizite in der laufenden Ratsperiode unübersehbar geworden, alleine die Hälfte der Punkte im Diskussionspapier bezogen sich auf diesen Sektor. Zwischen 2013 und 2019 hat sich die Zahl der Anträge und Anfragen aus Rat und Ortsräten verfünffacht. Das Bündnis führt dies auf jahrzehntelange schwere Versäumnisse einer Verwaltung zurück, die immer nur die autogerechte Stadt ausgebaut und sich im Radverkehr bislang mit schönen Worten, wenigen Vorzeigeprojekten und billigen Ausreden durchgemogelt hat. Hier soll sich einiges ändern.
Vereinbart wurde, dass relativ zügig mit Pilotprojekten zu Radwegüberdachungen begonnen werden soll, beispielsweise an der Robert-Koch-Straße. Im Rahmen einer Neukonzeption der Göttinger Verkehrsinfrastruktur sollen Fahrbahnen, die bislang dem Autoverkehr vorbehalten sind, umgewidmet werden, um einen sicheren Radverkehr zwischen Stadtvierteln zu ermöglichen. Das Bündnis geht davon aus, dass beispielsweise Merkelstraße und Friedländer Weg zu Einbahnstraßen in gegenläufiger Richtung werden und die Weender Landstraße nicht vierspurig bleibt. Die Verkehrswende soll sichtbar werden.

Ein weiteres Thema war die Steuerung der Verkehrsmittelwahl. Ampeln sind nicht nur Regulierungs-, sondern auch Steuerungsinstrumente. Das Bündnis hat beobachtet, dass die Schaltungen der Göttinger Ampeln viel mehr als in anderen Städten den Fußverkehr benachteiligen. Es wird einen Arbeitskreis geben, der die Grünphasen jeder einzelnen Ampel untersucht und den Fußgängern länger Grün gibt.

Dies sind einige der konkreten Aussichten auf Veränderung, die am Ende bewirkt haben, dass die Wahl auf der Plenumskonferenz so deutlich ausfiel. Das Bündnis konnte sich davon überzeugen, dass Fragel eine gute Wahl darstellt und gute Chancen haben wird, als erste Frau und erste Grüne zum Göttinger Stadtoberhaupt gewählt zu werden.


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze

PM: Infektionsschutz an Göttinger Schulen

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung zeigt sich entsetzt über den fahrlässigen Umgang mit dem Infektionsschutz an Göttingens Schulen.

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung zeigt sich entsetzt über den fahrlässigen Umgang mit der Pandemie an den Göttinger Schulen und stellt sich hinter die Kritik des Elternrates, der in einem Offenen Brief an die Spitze der Stadtverwaltung deren Untätigkeit bemängelt hatte, für ausreichenden Infektionsschutz in den Schulen zu sorgen. Lange war bekannt, dass eine zweite Welle ab Herbst zu erwarten war, ebenso bekannt waren Deutschlands Temperaturen im Winter. Dass man bis in den Dezember hinein auf das Lüften von Klassenzimmern gesetzt hatte und auch einen im September von der SPD eingereichten Antrag drei Monate liegen ließ, erscheint unglaublich.

Allerdings legt das Bündnis Wert darauf, eine Differenzierung vorzunehmen, nicht alle Altersgruppen gleich zu behandeln, und auch die Kindergartenkinder mit in die Maßnahmen aufzunehmen.

“Ich widerspreche hier insbesondere einer Aussage der Elternratsvorsitzenden Cindy-Patricia Heine im Bauausschuss am 10.12.2020, die gesagt hatte, Schulen seien gegenüber den Kitas vorrangig zu bedenken, da es keine Kita-Pflicht, wohl aber eine Schulpflicht gebe. Dem stimme ich nicht zu und setze die Prioritäten genau anders. Insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache gehört zu den elementarsten Aufgaben der frühkindlichen Erziehung, egal ob Schulpflicht oder nicht. Es sind die jüngsten, um die wir uns zuerst kümmern müssen, und wo soziale Isolation die gravierendsten Auswirkungen hat. Zuerst die Kitas, dann die Schulklassen mit den kleineren Kindern, und dann die Älteren”, so Elke Sudau, Mitglied des Bündnisses und Sprecherin der Initiative LeineBürger.

Durch den Vertreter des Jugendparlaments wusste die Verwaltung spätestens seit dem 10.12.2020 außerdem, dass bei den vergleichsweise milden Temperaturen im November nur in einem Teil der Schulen regelmäßig gelüftet wurde. Solche Informationen können nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Dass es Klagen geben wird und Gerichte das Unterrichten von Kindern bei zu niedrigen Temperaturen stoppen werden, ist vorauszusehen. Dabei ist nicht nur das Wohl der Kinder zu bedenken. Offenbar wurde auch übersehen, dass es arbeitsrechtliche Vorschriften zu Mindesttemperaturen gibt, und dass schon alleine deswegen Klagen gegen die naiv anmutende Lüftungsstrategie zu erwarten sind. In der Vorlage zum Bauausschuss am 10.12.2020 findet sich kein Hinweis darauf, dass die Verwaltung sich im Arbeitsrecht kundig gemacht hat, ob Lüften in diesem Ausmaß bei derart niedrigen Temperaturen überhaupt zulässig ist [1].

“Auch das Personal in den Göttinger Schulen muss den unverantwortlichen Umgang mit dem Infektionsschutz hinnehmen und sich somit täglich der Gefahr einer Infektion aussetzen. Bei bis zu 30 Schüler*innen in einem geschlossenen Raum können die Lehrkräfte einer Ansteckung kaum ausweichen”, so Sigrid Runge, Mitglied des Bündnisses.

In Hannover wird es bislang so gehandhabt, dass wenn eine Lehrkraft im Kollegium Corona-positiv getestet wurde, die anderen automatisch als Kontaktperson zweiten Grades eingestuft werden, auch wenn eigentlich der erste Grad und damit die Zwangsquarantäne angesagt wären. Diese Strategie ermöglicht zwar trickreich einen weiteren Schulbetrieb – hat aber den Effekt, dass auch dann, wenn das Personal untereinander engeren Kontakt hatte, die betroffenen Lehrkräfte den Test wahlweise entweder selber bezahlen oder gegenüber dem Arzt – der dazu rät – Symptome vorschwindeln müssen. Skandalöse Zustände, über die niemand spricht, und wo zu hoffen ist, dass es in Göttingen nicht genauso läuft.

Das Bündnis hält Lüften für eine denkbar ungeeignete Strategie, mit der Pandemie fertigzuwerden. Die Heizungen in den Göttinger Schulen sind zentral gesteuert, die Temperatur erhöht sich nach einem Luftaustausch (damit verbunden die Absenkung auf Außentemperatur) nur langsam. Wenn es nach dem Schulbeginn Leitlinien zum Lüften gibt, müsste in jedem Fall dazugeschrieben werden, ab welcher Temperatur der Schulbetrieb eingestellt werden muss.
Dabei kann nur die Außentemperatur herangezogen werden. Um Innentemperaturen zu messen, liegen die Voraussetzungen nicht vor. Dazu müsste es Thermometer in den Schulen geben, sowohl an zentraler Stelle, als auch in den einzelnen Klassenzimmern. Wären diese schließlich angeschafft, geeicht und installiert, müsste zudem geregelt werden, wer die Messungen vornimmt und an wen weiterleitet. Da die Zimmer auf Außentemperatur abgekühlt werden sollen, ließe sich ermitteln, ab welcher zentral in der Stadt erfassbaren Außentemperatur die Raumtemperatur im Klassenzimmer unter die arbeitsrechtlich zulässige Grenze sinkt.

Bündnis fordert kältefrei-Regelung

Das wiederum bedeutet: alle Göttinger Schulen müssten ab einer bestimmten Außentemperatur kältefrei bekommen, was schon am Morgen von zentraler Stelle allen Kindern, Eltern und Lehrkräften kommuniziert werden kann. Ausgenommen werden könnten nur Klassenzimmer, die über andere Lüftungsanlagen verfügen – die es nicht gibt, weil die Stadt den Sommer über untätig war.

Zudem muss es Regelungen für die Busse geben. Es nützt nichts, die Schulen virenfrei zu bekommen, wenn die Kinder sich in vollen Bussen anstecken.

Das Bündnis hält es für ein sehr schweres Versäumnis der Bauverwaltung, den Infektionsschutz der Schulen monatelang vernachlässigt und sich stattdessen vorrangig um die Bedürfnisse von Sartorius gekümmert zu haben, mit den Bauleitplanungen am Dragoneranger und Östlich Eisenbreite. Ein halbes Jahr hat die Stadtverwaltung die völlig falschen Prioritäten gesetzt.

Quelle

[1] Bauausschuss 10.12.2020
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=21379
“Erfolgt die Lüftung gemäß der UBA-Handreichung vom 15.10.2020, d. h., sofern alle 20 Minuten für 5 Minuten gelüftet wird (Stoß- bzw. Querlüftung), sowie zusätzlich während der Pausen, dann kann ein Luftwechsel von 3 pro Stunde und mehr erreicht werden, bei dem das Infektionsrisiko durch mit Viren belastete Aerosole in der Raumluft im Allgemeinen nur noch als gering eingeschätzt wird.”


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze

PM: Bauplanung Auf der Lieth, Nikolausberg

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung spricht sich gegen das geplante Baugebiet “Auf der Lieth” in Nikolausberg aus.

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung spricht sich gegen Pläne aus, die am Südostrand von Nikolausberg gelegene Fläche “Auf der Lieth” zu bebauen. Gründe sind die hohe Bedeutung der Fläche für Klimaschutz und Kaltluftströmung sowie die ökologische Wertigkeit.

“Wir kommen zu dem Schluss, dass eine Bebauung unverantwortlich wäre. Es gibt im Ort bessere Lösungen”, so Erhard Langkeit, Sprecher des Bürgerkreises “Nikolausberg hat Besseres verdient”.

Die Fläche “Auf der Lieth” umfasst 1,5 ha und liegt am südöstlichen Ortsrand im ökologisch hochwertigen Grüngebiet zwischen Roringen, Herberhausen und Nikolausberg. Die Stadt plant dort ein Dienstleistungszentrum mit Seniorenwohnanlage, Wohngruppe mit Demenzkranken, Kita, Krippe, Physiotherapiepraxis, Quartierstreff, sowie Wohnbebauung mit bis zu ca. 130 Wohneinheiten in einem schon jetzt hochverdichteten Viertel mit Verkehrsproblemen.
Im Ort gibt es andere Flächen, die für eine Seniorenwohnanlage und Kita besser geeignet wären. Das Problem bei weiterer Ansiedlung von Wohnbevölkerung ist der hohe Grad der Motorisierung in dem hochgelegenen Gebiet. Trotz guter Busanbindung nutzen die meisten Bewohner des Ortes täglich das Auto. Nikolausberg hat nur eine einzige Zufahrtstraße. Das Bündnis fordert außerdem eine Untersuchung, warum so viel Wohnraum in der unmittelbaren Umgebung der neu zu bebauenden Fläche in Nikolausberg gegenwärtig leer steht. Neubau und Flächenverbrauch sind insbesondere dann, wenn in den Häusern gegenüber die Mietwohnungen leer stehen, nicht zu verantworten.

Die Fläche wurde im Rahmen der Erstellung des Flächennutzungsplans 2017 aus dem Landschaftsschutzgebiet Leinetal entnommen und für eine Wohnbebauung ausgewiesen [1]. In einer fachlichen Bewertung im Hinblick auf die Bebaubarkeit waren Unzulänglichkeiten enthalten, die sich dem Stadtentwicklungs-Bündnis nun bei näherem Hinsehen als Fehler entpuppten. So wurde die Bedeutung der Fläche in diesem Steckbrief [2] als Ausgleichsraum so beschrieben, als würde die Nord-Süd-Kaltluftströmung um das Gebiet herum fließen – eine Annahme, für die es keine Anhaltspunkte gegeben haben kann. In der abschließenden Bewertung wurde dieser Parameter dann mit einem + versehen, und damit eine Bebauung empfohlen. Das Bündnis fordert eine Korrektur der Bewertung. Auch wurde die Fläche als Acker bezeichnet, ebenfalls nicht nachvollziehbar. Es handelt sich um Grünland mit Strauch-Baumhecken, mit einem gesetzlich geschützten Kalkmagerrasen unmittelbar bergab an die Grünfläche angrenzend [3]. Im Steckbrief steht jedoch, keine geschützten Biotope angrenzend.

Das Bündnis beobachtet in Nikolausberg ein generelles Muster, das auch auf andere Flächen zutrifft: Die Stadt weist Flächen als Landschaftsschutzgebiet aus und lässt diese solange im LSG, bis die Eigentümer die wirtschaftlich nicht nutzbaren Flächen an die Stadt verkaufen. Die Stadt gelangt so auf billige Weise an Flächen – ein einziger Ratsbeschluss, und schon sind sie Bauland. Einziger Nachteil: genau das sind die Flächen, die nach Jahrzehnten ohne Störung die höchste Naturwertigkeit am Rand der Stadt aufweisen. Was für eine Bedeutung Kaltluftströme für eine Großstadt haben, hatte vor 30 Jahren noch niemand auf dem Schirm. Klimaschutzziele wurden erst später beschlossen. Nun stehen plötzlich Klima- und Naturschutz den alten Planungsstrategien im Weg.

“Es scheint so zu sein, dass man verzweifelt nach bebaubaren Flächen in Göttingen sucht und die in Selbstverpflichtung aufgestellten Ziele des Klimaplans hinten anstellt”, so Langkeit.

Die Fläche “Auf der Lieth” ist ähnlich problematisch wie die am Dragoneranger. Beide sind wichtige Kaltluftentstehungs- und strömungsgebiete, beide liegen in naturfachlich hochwertigen Bereichen. Das Bündnis fordert für beide Flächen einen Planungsstop in der Bauleitplanung und eine Rückführung in den Landschaftsschutz. Angesichts dessen, dass Göttingen alle Klimaziele reißt, kann die Stadt nicht so weitermachen wie in den vergangenen 40 Jahren und eine ökologisch und klimatisch sensible Naturfläche nach der anderen aus dem Landschaftsschutz entlassen und versiegeln.

Quellen

[1] Umweltausschuss 24.01.2017, Anlage 22: “Anlage 3.3_7.5 Auf der Lieth – Nikolausberg”
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=14130

[2] Umweltausschuss 24.01.2017, Anlage 6: “Steckbriefe, Wohnen und Gewerbe”, dort Seite 85
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=14036

[3] Bauausschuss 19.03.2015, Anlage 13: “3 Plan 5 Schutzgut Arten und Biotope_Blatt2”
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=11659


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze

PM: “Gothaer Haus”

Am Gothaer Haus müssen sich Busfahrgäste und Fußgänger zukünftig engen Platz teilen – das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung bemängelt fehlende Transparenz bei Planungen.

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung kritisiert die fehlende Transparenz im Zusammenhang mit den Planungen zum Gothaer Haus an der Weender Straße in der Innenstadt.
Seit Jahren steht Wohnraum an der Weender Landstraße leer und es wird nicht gesagt, welche Planungen mit dem Haus und dem öffentlichen Straßenraum verfolgt werden. Dass eine breite Mehrheit im Bauausschuss investorgesteuerte Stadtplanung bislang befürwortet hat, sieht das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung kritisch.

Was kaum bekannt ist: Die Pläne sehen vor, den öffentlichen Straßenraum zwischen Carré und Gothaer Haus von bislang 24 m auf 21 m Breite zu verringern. Die Öffentlichkeit besitzt ein im Grundbuch eingetragenes Wegerecht unter den Arkaden des Gothaer Hauses. Einen Ratsantrag am 12.05.2017 zu einer temporären künstlichen Verengung der Straße zu Testzwecken, um die Streichung des Wegerechts mal auszuprobieren, hatten alle Parteien bis auf die Linken abgelehnt [1].
SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke beschlossen am 08.02.2018 im Bauausschuss [2], der Öffentlichkeit die Nutzung dieser Fläche zu entziehen und dem Investor die Überbauung der Arkaden-Fläche zu ermöglichen. Busfahrgäste sollen zukünftig unter engen Bedingungen wie in der Jüdenstraße auf die Busse warten, Fußgänger auf dem Weg zwischen Uni-Campus und Innenstadt sollen sich dazwischenschieben, die Fahrbahn soll von 10 m auf 8,50 m verengt werden.
Francisco Welter-Schultes (Piraten) stimmte als einziger Abgeordneter gegen diese rein auf die Interessen des Investors zugeschnittenen Pläne.

“Ich befürchte eine chaotische Situation wie vor Kaufland in der Kurzen Geismar Straße – auch diese Fehlplanung war ein Resultat investorgesteuerter Stadtplanung “, so Welter-Schultes, Sprecher des Bündnisses für nachhaltige Stadtentwicklung.
“Die Wegnahme des Wegerechts am Gothaer Haus war damit begründet worden, dass der Textilhändler als Ankermieter Schaufenster direkt am Gehweg benötige, Arkaden seien schlecht fürs Geschäft. Ich hielt das schon damals für eine Ausrede, denn am Carré funktioniert Textilhandel unter den Arkaden schließlich auch.”

Letztmalig wurde die Öffentlichkeit im Bauausschuss am 21.06.2018 informiert [3]. Dort wurden Pläne vorgestellt, das jetzige Gebäude abzureißen und ein neues Haus zu bauen, als eine Mischung aus Wohn- und Kaufhaus. Eine realistische Lösung für die parkenden Fahrräder wurde nicht gefunden.

Doch es kam anders. Nachdem die Sparkasse 2019 ohne Rücksprache mit der Stadt ihr Areal am Markt an ein Subunternehmen der Tönnies-Gruppe verkauft hatte, signalisierten Verwaltung und Bauausschuss dem Investor Zustimmung zur Ansiedlung eines großflächigen Textilkaufhauses direkt am Markt. Damit war dem Ankermieter am Gothaer Haus die Grundlage entzogen und alle Bauplanungskonzepte brachen zusammen.

“Der Sparkasse hätten 2019 klare Grenzen gesetzt werden müssen, an wen, zu welchem Preis und unter welchen stadtplanerischen Maßgaben dieses Areal verkauft werden konnte. Ratsparteien und Oberbürgermeister sitzen dort in den Entscheidungsgremien und haben auf ganzer Linie versagt; Herr Köhler hat zudem sein Wahlversprechen gebrochen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Diese fatale Entscheidung zugunsten des Unternehmens der Tönnies-Gruppe bewirkte, dass der Ankermieter am Gothaer Haus absprang – dümmer und unkoordinierter kann man Stadtplanung nicht betreiben”, so Welter-Schultes.

Für die Weender Straße fordert das Bündnis, das öffentliche Wegerecht unter den Arkaden am Gothaer Haus zu erhalten, erst recht angesichts dessen, dass die Sichtbarkeit von Schaufensterauslagen nach dem Abspringen des Ankermieters nicht mehr als Ausrede für die Schaffung einer weiteren chaotischen Verkehrssituation in der Innenstadt herhalten kann.
Die Göttinger Innenstadt wurde in Jahrhunderten von Göttingern aufgebaut, für eine Nutzung durch die städtische Bevölkerung. Das Bündnis spricht sich gegen den scheibchenweisen Ausverkauf dieses historischen Erbes an fremde Investmentfirmen aus.

Quellen

[1] Rat, 12.05.2017
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=100879

[2] Bauausschuss, 08.02.2018
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=108522

[3] Bauausschuss, 21.06.2018
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=113509


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze