PM: “Gothaer Haus”

Am Gothaer Haus müssen sich Busfahrgäste und Fußgänger zukünftig engen Platz teilen – das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung bemängelt fehlende Transparenz bei Planungen.

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung kritisiert die fehlende Transparenz im Zusammenhang mit den Planungen zum Gothaer Haus an der Weender Straße in der Innenstadt.
Seit Jahren steht Wohnraum an der Weender Landstraße leer und es wird nicht gesagt, welche Planungen mit dem Haus und dem öffentlichen Straßenraum verfolgt werden. Dass eine breite Mehrheit im Bauausschuss investorgesteuerte Stadtplanung bislang befürwortet hat, sieht das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung kritisch.

Was kaum bekannt ist: Die Pläne sehen vor, den öffentlichen Straßenraum zwischen Carré und Gothaer Haus von bislang 24 m auf 21 m Breite zu verringern. Die Öffentlichkeit besitzt ein im Grundbuch eingetragenes Wegerecht unter den Arkaden des Gothaer Hauses. Einen Ratsantrag am 12.05.2017 zu einer temporären künstlichen Verengung der Straße zu Testzwecken, um die Streichung des Wegerechts mal auszuprobieren, hatten alle Parteien bis auf die Linken abgelehnt [1].
SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke beschlossen am 08.02.2018 im Bauausschuss [2], der Öffentlichkeit die Nutzung dieser Fläche zu entziehen und dem Investor die Überbauung der Arkaden-Fläche zu ermöglichen. Busfahrgäste sollen zukünftig unter engen Bedingungen wie in der Jüdenstraße auf die Busse warten, Fußgänger auf dem Weg zwischen Uni-Campus und Innenstadt sollen sich dazwischenschieben, die Fahrbahn soll von 10 m auf 8,50 m verengt werden.
Francisco Welter-Schultes (Piraten) stimmte als einziger Abgeordneter gegen diese rein auf die Interessen des Investors zugeschnittenen Pläne.

“Ich befürchte eine chaotische Situation wie vor Kaufland in der Kurzen Geismar Straße – auch diese Fehlplanung war ein Resultat investorgesteuerter Stadtplanung “, so Welter-Schultes, Sprecher des Bündnisses für nachhaltige Stadtentwicklung.
“Die Wegnahme des Wegerechts am Gothaer Haus war damit begründet worden, dass der Textilhändler als Ankermieter Schaufenster direkt am Gehweg benötige, Arkaden seien schlecht fürs Geschäft. Ich hielt das schon damals für eine Ausrede, denn am Carré funktioniert Textilhandel unter den Arkaden schließlich auch.”

Letztmalig wurde die Öffentlichkeit im Bauausschuss am 21.06.2018 informiert [3]. Dort wurden Pläne vorgestellt, das jetzige Gebäude abzureißen und ein neues Haus zu bauen, als eine Mischung aus Wohn- und Kaufhaus. Eine realistische Lösung für die parkenden Fahrräder wurde nicht gefunden.

Doch es kam anders. Nachdem die Sparkasse 2019 ohne Rücksprache mit der Stadt ihr Areal am Markt an ein Subunternehmen der Tönnies-Gruppe verkauft hatte, signalisierten Verwaltung und Bauausschuss dem Investor Zustimmung zur Ansiedlung eines großflächigen Textilkaufhauses direkt am Markt. Damit war dem Ankermieter am Gothaer Haus die Grundlage entzogen und alle Bauplanungskonzepte brachen zusammen.

“Der Sparkasse hätten 2019 klare Grenzen gesetzt werden müssen, an wen, zu welchem Preis und unter welchen stadtplanerischen Maßgaben dieses Areal verkauft werden konnte. Ratsparteien und Oberbürgermeister sitzen dort in den Entscheidungsgremien und haben auf ganzer Linie versagt; Herr Köhler hat zudem sein Wahlversprechen gebrochen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Diese fatale Entscheidung zugunsten des Unternehmens der Tönnies-Gruppe bewirkte, dass der Ankermieter am Gothaer Haus absprang – dümmer und unkoordinierter kann man Stadtplanung nicht betreiben”, so Welter-Schultes.

Für die Weender Straße fordert das Bündnis, das öffentliche Wegerecht unter den Arkaden am Gothaer Haus zu erhalten, erst recht angesichts dessen, dass die Sichtbarkeit von Schaufensterauslagen nach dem Abspringen des Ankermieters nicht mehr als Ausrede für die Schaffung einer weiteren chaotischen Verkehrssituation in der Innenstadt herhalten kann.
Die Göttinger Innenstadt wurde in Jahrhunderten von Göttingern aufgebaut, für eine Nutzung durch die städtische Bevölkerung. Das Bündnis spricht sich gegen den scheibchenweisen Ausverkauf dieses historischen Erbes an fremde Investmentfirmen aus.

Quellen

[1] Rat, 12.05.2017
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=100879

[2] Bauausschuss, 08.02.2018
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=108522

[3] Bauausschuss, 21.06.2018
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=113509


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze