Fahrradbügel in der Innenstadt

Im Januar und Februar 2020 haben einige aus dem Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung in vier Ortbegehungen Standorte für Fahrradbügel in der Innenstadt ausgemacht und fotografisch dokumentiert. <Diesen Artikel als PDF lesen>

Hintergrund und Vorgeschichte

Die CDU hatte Ende 2019 dasselbe für den Bereich der Weender Straße und Umgebung gemacht – siehe Ratssitzung 13.12.2019:
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=130365
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=19731

Die CDU-Ausarbeitung wurde am 9.1.2020 im Bauausschuss kurz besprochen:
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=130767

Dort wurde erläutert, dass der Antrag nützlich war und die Verwaltung es begrüßen würde, wenn weitere solche detaillierten Ausarbeitungen gemacht würden. Unsere Bearbeitung sollte das ergänzen, und die Gegenden abdecken, die die CDU nicht abgedeckt hatte. Unsere Ortsbegehungen fanden statt am 21.01.2020, 31.01.2020, 11.02.2020 und 18.02.2020.

Die Zusammenfassung wurde von Francisco Welter-Schultes (Mitglied des Rats für die Piratenpartei) zur Ratssitzung am 13.03.2020, dort wegen Corona vertagt und am 15.05.2020 schließlich unverändert beschlossen: https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=20185

Am 02.07.2020 gab es im Bauausschuss einen weiteren Sachstandsbericht der Verwaltung, die alle Fotos der CDU-Ausarbeitung und unserer Ausarbeitung bewertet hatte: https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=19453

Dort die Anlagen:
Standortbewertung CDU-Antrag (35607 KB)
Dokumentation_Welter Schultes (10785 KB)

Das Ergebnis der Debatte im Bauausschuss: Ca. 100 Stellplätze aus der CDU-Ausarbeitung und ca. 250 der 1262 (= 20 %) aus unserer Ausarbeitung wurden positiv beschieden, etwa 60 % wurden abgelehnt, 20 % blieben in der Pipeline. Aus dem Ausschuss kam die Rückmeldung, dass die Zahl der bereits “bewilligten” Standorte nicht ausreiche, und die Verwaltung mehr Bügel aufstellen sollte.

In Konflikten mit dem Autoverkehr sollte den Fahrrädern Vorrang eingeräumt werden (es wurde kritisiert, dass die Verwaltung ein Nein von ProCity mehr Bedeutung beimaß als den gewählten Ratsgremien), und der Ratsbeschluss von 2012, wonach grundsätzlich keine Fahrradbügel in der Weender Straße angebracht werden sollten, sollte revidiert werden. Die Verwaltung selbst sagte zu, mit Eigentümern zu sprechen, ob die Stadt auf deren Grundstücken Bügel anbringen könne. An weiteren Stellen sollte auch noch einmal nachgehakt und die individuelle Situation vor Ort noch einmal beleuchtet werden. Insbesondere an Stellen, wo die Räder an Laternen angelehnt werden (Kategorie 2 in der Auswertung unten).

Aus dieser Überlegung entstand ein Dokument zur Auswertung der Bewertung der Verwaltung. Die Stellen, an denen man nochmal nachhaken könnte, lassen sich in mehrere Kategorien zusammenfassen. Alle Bildnummern beziehen sich auf die oben genannte Dokumentation von Francisco Welter-Schultes (hier nocheinmal als PDF).

Fahrradbügel in der Innenstadt:
Auswertung der städtischen Bewertung

1 – Privatflächen

Potenzielle Stellflächen auf Privatgrundstücken. Sollte nach Möglichkeit nachgehakt werden, zumindest bei Wohnungsgenossenschaft und Uni.
Bilder: 29 bis 34 (Wohnungsgenossenschaft), 77, 78, 102, 134, 135, 136, 137 (Uni), 144, 155 (Uni), 157 (Uni), 166
Zusätzliche Stellplätze: 141 (davon Wohnungsgenossenschaft 34, Universität 63)

2 – Laternen- bzw. Stangenproblematik

Fahrräder, die sich querstellen, wenn sie an einzelnstehenden Laternen oder Verkehrsschildern angeschlossen werden, und sich dann den Fußgängern in den Weg stellen oder legen. Durch das Anbringen von Bügeln neben den Laternen längs der Gehwegrichtung würde zwar nominell die Gehwegbreite verringert werden, aber die daran angelehnten (angeschlossenen) Fahrräder könnten sich nicht mehr querstellen und es würde ordentlicher aussehen. Die Gehwegbreite ist durch die Stangen sowieso schon eingeengt.
Bilder: 1, 2 (teils), 81, 84-88 (Johannnisstraße, 20 Stellplätze), 120, 133 (Pauliner Straße), 152
Zusätzliche Stellplätze: 56

3 – Ersetzen von Pfosten

Manche Laternen haben links und rechts einen Pfosten, damit parkende Autos nicht gegen die Laterne fahren. Diese Pfosten können durch längs des Gehweges ausgerichtete Bügel ersetzt werden. An den Pfosten können Räder nicht sicher angeschlossen werden. Sie werden dort aber oft angelehnt. Siehe auch Bilder 100, 101.
Bilder: 2 (teils), 3 (teils), 10 (teils), 28 (längs neben Verkehrsschild), 94, 98, 99, 102 (unter Kategorie 1 gezählt), 105, 106, 122 (teils), 139, 142, 143, 148, CDU 34
Zusätzliche Stellplätze: 37 plus CDU 2

4 – Durchlässigkeit zwischen Gehweg und Fahrbahn

Wenn man viele Bügel längs aneinanderreiht, ist die Durchlässigkeit beeinträchtigt. An vielen Orten ist dieses Problem jedoch irrelevant:

1. Fußgängern ist zuzumuten, dass sie ein paar Meter seitlich gehen, um auf die Fahrbahn zu gelangen. Bei parkenden Autos müssen sie das auch. Beispiel: Bilder 50, 51 (Goetheallee-Ecken).

2. Fahrräder werden sowieso hingestellt und versperren den Weg unabhängig davon, ob da Bügel stehen oder nicht. Das hängt vom Parkdruck ab. Die Bügel selber haben keinen Einfluss auf die Durchlässigkeit. Bügel als solche haben keine Sperrfunktion. Wenn keine Fahrräder dastehen, können Fußgänger zwischen den Bügeln hindurchgehen.
Bilder: 10 (teils), 14, 15, 38 (siehe Bild 39, die Felgenkiller sind viel undurchlässiger), 50, 51, 103, 149 (da stehen schon Bügel, der Gehweg ist bereits verengt, gemeint ist wohl die Durchlässigkeit)
Zusätzliche Stellplätze: 54

5 – Baum-Halbinseln

Bei Baum-Halbinseln (tote hochbordige Gehwegflächen mit Baum, zwischen Straße, Parkplätzen und Gehweg) werden an einigen Stellen Bügel akzeptiert (Kurze Straße Bilder 95-97, Untere Masch-Straße Bild 158). An anderen gleichartigen Halbinseln wird gesagt, der Abstand zu parkenden Pkw werde nicht eingehalten. Die Bewertung erscheint uneinheitlich. Am Baum-Halbinseln wie etwa in der Goetheallee könnten die meisten Bügel nahe an den Bäumen angebracht werden, weit weg von den Autos. Es sollte nochmal geprüft werden, ob sich wenigstens einige Bügel dort anbringen ließen.
Bilder: 48, 49, 52, 53
Zusätzliche Stellplätze: etwa 16-18

6 – Konflikt mit Kfz-Stellplätzen

Nicht immer müssen Parkplätze weichen. In unserer Liste sind es 8 Auto-Parkplätze (Bilder 11, 13, 38, 107, 123). An etlichen Stellen beginnt der Konflikt schon bevor ein Pkw-Stellplatz wegfällt (gut sichtbar in Bild 98, Geismar Landstraße). Die Pkw-Stellplätze fallen weg, weil die Autos immer größer werden. Hier sieht es nun so aus, als ob genug Platz da wäre, die Fahrradbügel aber wegen der notwendigen Auto-Rangierfläche nicht installiert werden können. Das Auto in Bild 98 ist für heutige Verhältnisse nicht besonders lang. Zwei Trabants würden hintereinander passen. In der heutigen Zeit passt nur noch ein Auto hin.

Ähnliches gilt auch in Bild 129. Niemand hat Anspruch darauf, eine Fläche, die nicht überfahren werden darf, mit einem sehr langen Pkw überfahren zu können. Wer ein sehr langes Auto hat, kommt eben nicht in jede Parklücke. Die Grenze nach Italien ist auf, man kann sich dort im Bedarfsfall kleinere Autos kaufen.

In Bild 91 (Jüdenstraße) würde zwar ein Parkplatz wegfallen, aber dort parken die Autos sowieso illegal, eigentlich dürfen die gar nicht da reinfahren. Die Platzknappheit für den Lieferverkehr entsteht durch illegal einfahrende und parkende Autos, ohne die der Lieferverkehr kein Problem hätte, sich 3 Meter weiter hinzustellen. Mit der anvisierten Poller-Lösung ist zu erwarten, dass dieser Druck dann nachlässt. Das Auto in Bild 91 steht mit Sicherheit ohne Berechtigung dort.

In Bild 167 (Wendenstraße) sollten alle 3 Auto-Stellplätze aus ganz anderen Gründen weggenommen werden (Verkehrssicherheit). Es ist schwer nachvollziehbar, warum Fahrradbügel vielerorts nicht installiert werden, weil die Gehwegbreite eingeschränkt und die Durchlässigkeit zwischen Gehweg und Fahrbahn gefährdet wird, und hier wird signalisiert, dass dieselbe Überlegung sowie die Verkehrssicherheit auf der Fahrbahn zweitrangig werden, wenn es um drei parkende Autos geht. Vielleicht sollte man den Carport mal da hinstellen.
Bilder: 11, 13, 38 (zählt unter Kategorie 4), 91, 98, 99, 107, 121, 123, 129, 147, 167
Zusätzliche Stellplätze: 108

7 – Ersetzen von alten Fahrradbügeln

Felgenkiller = Vorderradhalter sollten auch dann ersetzt werden, wenn diese noch in Ordnung sind. Vorrangig ist der Sicherheitsgedanke: das Rad ist am Rahmen anzuschließen, nicht am Vorderrad.
Bilder: 38-39 (würde Wechsel zwischen Gehweg und Fahrbahn erleichtern) und andere, die als “bewilligt” markiert sind
Zusätzliche Stellplätze: keine, da die alten nur durch moderne ersetzt werden sollen.

8 – Ersetzen von Baumschutzbügeln

Baumschutzbügel sind zum Anschließen von Fahrrädern schlecht, weil die Fahrräder an der dachförmigen Struktur umkippen. Das schadet der Bauminsel, da die Radfahrer auf der Grünfläche herumtrampeln, um ihr Fahrrad mit Krafteinsatz wieder aufzuheben. Bei einem “rechteckigen” Fahrradbügel lässt sich das Rad gut hinschieben, es bleibt stehen, die Grünfläche wird geschont. Die Hauptüberlegung hier betrifft den Schutz der Grünflächen und Bäume.
Bilder: 121 (man sieht, dass Räder und Autos sehr eng stehen, aber das geht), 154, 156
Zusätzliche Stellplätze: keine, da die Baumbügel nur durch Fahrradbügel ersetzt werden sollen.

9 – Düstere Straße

Bei der Umbau-Planung hat man offenbar ganz vergessen, dass Fahrradabstellmöglichkeiten dazugehören. Die Straße sieht sehr kahl aus, wie ein Basketballplatz, keine Bäume, keine Blumen, keine Kunstwerke, keine Sitzgelegenheiten. Nur eine Werbetafel, Laternen und Mülleimer. Trotz des teuren Belags eine sehr leblose und unattraktive Straße, keine gute Aufenthaltsqualität. Ein paar Fahrradbügel könnten das Bild immerhin etwas auflockern.
Eventuell ließe sich dazu ein Ratsbeschluss fassen, wenn die Verwaltung das nicht eigenmächtig entscheiden kann.
Bilder: 17 bis 24
Zusätzliche Stellplätze: 34

10 – Fußgängerzone 1

Der Ratsbeschluss von 2012 gilt nach einhelliger Parteienmeinung als überholt.
Bei einigen Begründungen abgelehnter CDU-Standorte fällt auf, dass von einem eingeschränkten Gehweg die Rede ist, der in einer Fußgängerzone (Busring, FGZ 2) liegt. Eine Fußgängerzone hat keinen Gehweg, sondern ist selbst in der gesamten Fläche ein Gehweg. Schwer nachvollziehbar, warum Autos problemlos sich auf diesen sogenannten Gehweg stellen dürfen (Bilder CDU 15.1, 41), aber Fahrradbügel an derselben Stelle diesen einschränken würden.
Bilder: 2, 3, 4, 110, CDU 21, 28, 29, 30, 32, 39, 40, 43
Zusätzliche Stellplätze: 38 plus die vielen CDU-Standorte

11 – Weitere Punkte

Bild 25: Nicht nachvollziehbar, warum die Gehwegbreite hier eingeengt werden sollte. Platz ist hier genug. Es sieht sehr unprofessionell und unordentlich aus, wenn die Räder halb-quer an die Längsbügel angeschlossen werden. Man kann auch Bügel diagonal anbringen (Beispiel Groner Tor-Straße), das würde auch ordentlich aussehen.
Bild 35: Zumindest einige Bügel könnten noch dazu. Selbe Grundsituation wie in Kategorie 2.
Bild 37: Selbe Grundsituation wie bei der Alten SUB in der Prinzenstraße (Bilder 138, 140), im toten Winkel wird der Gehweg nicht eingeengt.
Bild 169: Die Begründung für die Ablehnung der Bügelreihe (aus städtebaulichen Gründen) ist sympathisch, aber nicht nachvollziehbar. Entweder eine Bügelreihe wird abgelehnt – dann müssen, wenn städtebaulich argumentiert wird, auch die beiden störenden Werbetafeln an dieser Ecke weg. Oder die Werbetafeln bleiben da, dann können auch die Bügel hin.

Die Bügel hätten einen städtebaulich höheren Wert, da sie ein Bekenntnis zur Fahrradstadt, zur Verkehrswende und damit Verantwortungsbereitschaft unserer Stadt für das Weltklima symbolisieren. Die Werbetafeln hingegen tragen die Hauptbotschaft, dass die Stadt kein Geld hat und jede Geldquelle nutzen muss. Eventuell ließe sich dazu ein Ratsbeschluss fassen, wenn die Verwaltung das nicht eigenmächtig entscheiden kann.