Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung zeigt sich entsetzt über den fahrlässigen Umgang mit dem Infektionsschutz an Göttingens Schulen.
Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung zeigt sich entsetzt über den fahrlässigen Umgang mit der Pandemie an den Göttinger Schulen und stellt sich hinter die Kritik des Elternrates, der in einem Offenen Brief an die Spitze der Stadtverwaltung deren Untätigkeit bemängelt hatte, für ausreichenden Infektionsschutz in den Schulen zu sorgen. Lange war bekannt, dass eine zweite Welle ab Herbst zu erwarten war, ebenso bekannt waren Deutschlands Temperaturen im Winter. Dass man bis in den Dezember hinein auf das Lüften von Klassenzimmern gesetzt hatte und auch einen im September von der SPD eingereichten Antrag drei Monate liegen ließ, erscheint unglaublich.
Allerdings legt das Bündnis Wert darauf, eine Differenzierung vorzunehmen, nicht alle Altersgruppen gleich zu behandeln, und auch die Kindergartenkinder mit in die Maßnahmen aufzunehmen.
“Ich widerspreche hier insbesondere einer Aussage der Elternratsvorsitzenden Cindy-Patricia Heine im Bauausschuss am 10.12.2020, die gesagt hatte, Schulen seien gegenüber den Kitas vorrangig zu bedenken, da es keine Kita-Pflicht, wohl aber eine Schulpflicht gebe. Dem stimme ich nicht zu und setze die Prioritäten genau anders. Insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache gehört zu den elementarsten Aufgaben der frühkindlichen Erziehung, egal ob Schulpflicht oder nicht. Es sind die jüngsten, um die wir uns zuerst kümmern müssen, und wo soziale Isolation die gravierendsten Auswirkungen hat. Zuerst die Kitas, dann die Schulklassen mit den kleineren Kindern, und dann die Älteren”, so Elke Sudau, Mitglied des Bündnisses und Sprecherin der Initiative LeineBürger.
Durch den Vertreter des Jugendparlaments wusste die Verwaltung spätestens seit dem 10.12.2020 außerdem, dass bei den vergleichsweise milden Temperaturen im November nur in einem Teil der Schulen regelmäßig gelüftet wurde. Solche Informationen können nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Dass es Klagen geben wird und Gerichte das Unterrichten von Kindern bei zu niedrigen Temperaturen stoppen werden, ist vorauszusehen. Dabei ist nicht nur das Wohl der Kinder zu bedenken. Offenbar wurde auch übersehen, dass es arbeitsrechtliche Vorschriften zu Mindesttemperaturen gibt, und dass schon alleine deswegen Klagen gegen die naiv anmutende Lüftungsstrategie zu erwarten sind. In der Vorlage zum Bauausschuss am 10.12.2020 findet sich kein Hinweis darauf, dass die Verwaltung sich im Arbeitsrecht kundig gemacht hat, ob Lüften in diesem Ausmaß bei derart niedrigen Temperaturen überhaupt zulässig ist [1].
“Auch das Personal in den Göttinger Schulen muss den unverantwortlichen Umgang mit dem Infektionsschutz hinnehmen und sich somit täglich der Gefahr einer Infektion aussetzen. Bei bis zu 30 Schüler*innen in einem geschlossenen Raum können die Lehrkräfte einer Ansteckung kaum ausweichen”, so Sigrid Runge, Mitglied des Bündnisses.
In Hannover wird es bislang so gehandhabt, dass wenn eine Lehrkraft im Kollegium Corona-positiv getestet wurde, die anderen automatisch als Kontaktperson zweiten Grades eingestuft werden, auch wenn eigentlich der erste Grad und damit die Zwangsquarantäne angesagt wären. Diese Strategie ermöglicht zwar trickreich einen weiteren Schulbetrieb – hat aber den Effekt, dass auch dann, wenn das Personal untereinander engeren Kontakt hatte, die betroffenen Lehrkräfte den Test wahlweise entweder selber bezahlen oder gegenüber dem Arzt – der dazu rät – Symptome vorschwindeln müssen. Skandalöse Zustände, über die niemand spricht, und wo zu hoffen ist, dass es in Göttingen nicht genauso läuft.
Das Bündnis hält Lüften für eine denkbar ungeeignete Strategie, mit der Pandemie fertigzuwerden. Die Heizungen in den Göttinger Schulen sind zentral gesteuert, die Temperatur erhöht sich nach einem Luftaustausch (damit verbunden die Absenkung auf Außentemperatur) nur langsam. Wenn es nach dem Schulbeginn Leitlinien zum Lüften gibt, müsste in jedem Fall dazugeschrieben werden, ab welcher Temperatur der Schulbetrieb eingestellt werden muss.
Dabei kann nur die Außentemperatur herangezogen werden. Um Innentemperaturen zu messen, liegen die Voraussetzungen nicht vor. Dazu müsste es Thermometer in den Schulen geben, sowohl an zentraler Stelle, als auch in den einzelnen Klassenzimmern. Wären diese schließlich angeschafft, geeicht und installiert, müsste zudem geregelt werden, wer die Messungen vornimmt und an wen weiterleitet. Da die Zimmer auf Außentemperatur abgekühlt werden sollen, ließe sich ermitteln, ab welcher zentral in der Stadt erfassbaren Außentemperatur die Raumtemperatur im Klassenzimmer unter die arbeitsrechtlich zulässige Grenze sinkt.
Bündnis fordert kältefrei-Regelung
Das wiederum bedeutet: alle Göttinger Schulen müssten ab einer bestimmten Außentemperatur kältefrei bekommen, was schon am Morgen von zentraler Stelle allen Kindern, Eltern und Lehrkräften kommuniziert werden kann. Ausgenommen werden könnten nur Klassenzimmer, die über andere Lüftungsanlagen verfügen – die es nicht gibt, weil die Stadt den Sommer über untätig war.
Zudem muss es Regelungen für die Busse geben. Es nützt nichts, die Schulen virenfrei zu bekommen, wenn die Kinder sich in vollen Bussen anstecken.
Das Bündnis hält es für ein sehr schweres Versäumnis der Bauverwaltung, den Infektionsschutz der Schulen monatelang vernachlässigt und sich stattdessen vorrangig um die Bedürfnisse von Sartorius gekümmert zu haben, mit den Bauleitplanungen am Dragoneranger und Östlich Eisenbreite. Ein halbes Jahr hat die Stadtverwaltung die völlig falschen Prioritäten gesetzt.
Quelle
[1] Bauausschuss 10.12.2020
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=21379“Erfolgt die Lüftung gemäß der UBA-Handreichung vom 15.10.2020, d. h., sofern alle 20 Minuten für 5 Minuten gelüftet wird (Stoß- bzw. Querlüftung), sowie zusätzlich während der Pausen, dann kann ein Luftwechsel von 3 pro Stunde und mehr erreicht werden, bei dem das Infektionsrisiko durch mit Viren belastete Aerosole in der Raumluft im Allgemeinen nur noch als gering eingeschätzt wird.”
Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze