PM: Ratsantrag zur Einleitung eines neuen Bürgerentscheids

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung und die USE-Ratsgruppe bringen am 14.03.2025 einen Ratsantrag ein mit dem Ziel, einen neuen Bürgerentscheid zum Thema Radverkehr in die Wege zu leiten und die wesentlichen Punkte des mit 54 % angenommenen Bürgerentscheids (Radentscheid 1) vom 09.06.2024 außer Kraft zu setzen. 

Dies ist die einzige legale Möglichkeit, die der Stadt bleibt, wenn sie in der Umsetzung des Radentscheids weiter so verfahren will, wie es sich ein Jahr nach Abgabe der Unterschriften herauskristallisiert. Spätestens seit der Umweltausschuss-Sitzung am 25.02.2025 ist klar, dass die Verwaltung nicht plant, die erforderlichen Prüfungen der Hauptforderungen nach Trennung von Fahrrad und Auto auf stark befahrenen Straßen in die Wege zu leiten. 

“Der Göttinger Radentscheid legt den Schwerpunkt auf die stark befahrenen Straßen, Schaffung von geschütztem Verkehrsraum durch Einrichtung von 1,5 km Protected Bike Lanes pro Jahr auf wichtigen Abschnitten im Netz und Ausweisung von Einbahnstraßen dort, wo der Raum nicht ausreicht. Dies zu prüfen lehnt die Stadt ab. Zusammen mit weiteren Beschlusspunkten, die von der Stadt ebenfalls abgelehnt werden, ergibt sich daraus in der Summe ein Bild der Nicht-Umsetzung des Bürgerentscheids. Über 27.000 Menschen in unserer Stadt haben am 09.Juni 2024 weitgehend umsonst mit Ja gestimmt”, so Francisco Welter-Schultes, Mitglied des Rates.

Eine Verwaltungsspitze kann nicht einfach eigenmächtig entscheiden, einen Bürgerentscheid im Kern nicht umzusetzen. Sie ist vom Gesetz her (NKomVG § 85 Abs. 1 Satz 2) zur Ausführung verpflichtet und muss die erforderlichen Prüfungen hierzu unverzüglich in die Wege leiten, wenn sie keine sachliche Begründung für eine Verzögerung hat.

Oberbürgermeisterin Broistedt (SPD) hatte schon vor der Abstimmung im Juni 2024 deutlich gemacht, dass sie die Hauptzielrichtungen für falsch hält. Die Bevölkerung sah das anders. Für eine Nichtumsetzung sieht das Gesetz nur die Möglichkeit vor, einen neuen Bürgerentscheid durchzuführen, welcher die Vorgaben des angenommenen Bürgerentscheids wieder abändert oder aufhebt (NKomVG § 33 Abs. 6 Satz 2). Vor diesem Hintergrund wird der Ratsantrag eingebracht. Stimmt der Rat nicht zu, muss die Verwaltung sich um die stark befahrenen Straßen kümmern und Einbahnstraßen ausweisen, damit Fahrräder auf Protected Bike Lanes sicher fahren können.

Mangel an Personal und Geld kann dann nicht als Grund angeführt werden, wenn die Verwaltung die vorhandenen Resourcen, wie im Umweltausschuss dargelegt, für über 70 andere Projekte verwendet, die sie selber bevorzugt. Neben Straßenplanungen für Neubaugebiete am Stadtrand sind Mittel für neue Fahrradstraßen eingeplant, die nirgends im Radentscheid gefordert werden – unter anderem, weil sie für Kinder und ältere Menschen keinen geschützten Verkehrsraum bieten. Fahrradstraßen dienen eher der Selbstdarstellung der Stadt und bringen keinen Gewinn an Sicherheit.

“In Deutschland kam es bislang nur selten vor, dass eine Verwaltung einen Bürgerentscheid mit konkret formulierten Inhalten hinterher in der Hauptzielrichtung nicht umsetzen wollte. Die Ankündigung von Kürzungen freiwilliger Leistungen bei Kultur, Sport, Soziales und Feuerwehr wirkt heute wie ein Wahlkampftrick einer Oberbürgermeisterin, die im Wahlkampf zur Neutralität verpflichtet war. Schon diese einseitige Parteinahme und das Plakatierverbot im öffentlichen Raum waren Vorgänge, zu denen mir erfahrene Experten in Deutschland keine Präzedenzfälle nennen konnten. Das strikte Festhalten am Mischverkehr auf stark befahrenen Straßen gegen den Willen von 27000 Menschen geht zu weit”, so Welter-Schultes. 

Das Vertrauen in die Demokratie wird geschwächt, wenn der Wille der Bevölkerungsmehrheit einfach ignoriert wird, indem die Kernpunkte nicht umgesetzt werden. Um ehrlich zu bleiben, sollten diese Menschen noch einmal befragt werden, ob sie damit einverstanden sind, dass auf dem Friedländer Weg und anderen stark befahrenen Straßen der Mischverkehr bestehen bleibt.

Auch bei einem neuen Bürgerentscheid zur Aufhebung der Kernforderungen aus dem Radentscheid 1 müsste eine Mehrheit zustimmen und das Quorum erreicht werden (mindestens 20 % der Wahlberechtigten müssen mit Ja stimmen).

“Ich selber werde gegen diesen Antrag stimmen – wenn die Ratsmehrheit ihn ebenfalls ablehnt, bleiben die aufgezählten Kernforderungen ausdrücklich bestehen. Dann muss die Oberbürgermeisterin Kapazitäten in der Verkehrsplanung umschichten, die neuen Fahrradstraßen vielleicht ausklammern und in jedem Fall die Bildung von Einbahnstraßen prüfen – sicherlich auch auf dem Friedländer Weg”, so Welter-Schultes.


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen
– Der Vorstand –