PM: Verkehrsprobleme Holtenser Berg

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung fordert eine Lösung der Verkehrsprobleme vor der Fortsetzung der Bauplanung im Europaquartier.

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung stimmt zwar der Auffassung der CDU zu, dass die verkehrliche Anbindung des Holtenser Berges nicht ausreicht – übt gleichzeitig aber heftige Kritik an der einseitigen Ausrichtung auf den Autoverkehr und Straßenbau als einzigem Lösungsansatz. Die CDU beantragt zur Ratssitzung am 16.04.2021 eine zweite Zufahrt [1], also Straßenbau durch die freie Landschaft als Lösung der Probleme, die sich mit dem Bau von etwa 600 neuen Wohneinheiten abzeichnen. Wobei das Bündnis auch die Bebauung wegen des massiven Flächenverbrauchs ablehnt und in der Wohnungspolitik die Strategie nicht mitträgt, das Problem der steigenden Mietpreise durch Neubauten mit mehrheitlich teuren Wohnungen zu lösen.

“Wir fordern, dass das gesamte Angebot der verkehrlichen Anbindung der Kernstadt an den Holtenser Berg verbessert werden muss, und zwar definitiv bevor die nächsten Schritte für die Bauplanung im Europaquartier eingeleitet werden. Dabei sollten unserer Ansicht nach vorrangig die umweltfreundlichen Verkehrsarten gefördert werden, sprich wir wollen massive Investitionen in eine spürbare Verbesserung des Radverkehrs und eine Taktverdichtung im Busverkehr. Auf lange Sicht befürworten wir den Bau eines Straßenbahnnetzes in ganz Göttingen “, so Martin Mützel, Mitglied des Bündnisses.

“Vor einer Ableitung des Autoverkehrs muss immer eine Vermeidung und Verlagerung von Verkehr stehen.”

“Die CDU reagiert hier so, wie Verkehrsplaner seit den 1960er Jahren reagieren, wenn Autoverkehr immer weiter zunimmt. Diese Partei wirkt wie in einer alten Denkweise verhaftet und kommt gar nicht auf den Gedanken, wie man den Herausforderungen der heutigen Zeit mit neuen und zukunftsfähigen Ideen begegnen kann”, ergänzt Francisco Welter-Schultes, Ratsabgeordneter im Bauausschuss.

SPD, CDU und Grüne hatten unisono die Verwaltung beauftragt, die Bedenken der Bevölkerung vor Ort zu ignorieren und waren der Behauptung eines Fachexperten gefolgt, eine Zusatzbelastung mit 2000 oder mehr Autos am Tag sei für die Europaallee kein Problem und für die Anwohner*innen nicht wahrnehmbar.

Die mangelnde Bürgerbeteiligung und die Nichtachtung kritisiert auch Sascha Rudat, Mitglied der Bürgerinitiative Holtenser Berg: “Die Form der Partizipation der Bürger an den Planungen zum Europaquartier ist eine Farce und scheint nur als notwendiges Übel gesehen zu werden, deren Schein zu wahren es gilt. Das Verharren in baupolitischen Planungsweisen der Vergangenheit führt zu Autozentrierung, Ausdehnung von Stadträndern und Versiegelung wertvollen Ackerbodens. Auch deshalb verfehlt Göttingen seine Klimaziele krachend und die Maßnahmen werden in keiner Weise anpasst, um überhaupt den Willen zu zeigen, die selbstgesteckten Ziele realistisch zu erreichen. Wenn die Politik ihre Entscheidungen zum Dragoneranger überdenken und ändern kann, warum dann nicht auch zum Bauvorhaben des Europaquartiers?”

Dass sich der Rat 2015 eine Reduktion der städtischen Kfz-Fahrleistung um 30 % bis 2025 als Ziel gesetzt hat, ist nirgendwo zu erkennen. Eine Taktverdoppelung der Busse wäre eine Maßnahme. Immer mehr ältere Menschen sind auf den ÖPNV angewiesen. Der Stadtbusverkehr steckt mittelfristig jedoch in einer Sackgasse und ist im Innenstadtbereich kaum noch ausbaufähig – daher hält das Bündnis den Bau einer Straßenbahn in Göttingen für unabdinglich.

Die Probleme werden sich nicht dadurch lösen lassen, dass man im neuen Baugebiet Ladestationen für E-Bikes und überdachte Fahrradständer anbietet, ansonsten aber an den schlechten Radverbindungen zum Stadtviertel nichts ändert. Es müsste massiv in den Radverkehr investiert werden. In den Niederlanden wird bei Neubaugebieten von der Größe des Europaquartiers zu allererst der Radschnellweg gebaut. Möglich wäre ein Neubau eines leistungsfähigen überdachten Radschnellweges vom Holtenser Berg Richtung Klinikum. In der Göttinger Verwaltung scheitert so eine Idee bereits daran, dass kein Personal bereitgestellt wird, überhaupt einen Fördermittelantrag zu schreiben.

Eine vielsagende Anekdote stellt dar, wie es in Deutschlands angeblich fahrradfreundlichster Stadt in Wirklichkeit aussieht. Als die Verwaltung kürzlich gebeten wurde, die mit engen Treppen versehene Brücke am Eselsstieg – der Fahrradverbindung zwischen Holtenser Berg und Weende – radverkehrstauglich zu ertüchtigen, reagierte die Stadt schnell und unbürokratisch: Sie ließ die Radwegbeschilderung entfernen.

Quelle

[1] Antrag der CDU für den Rat am 16.02.2021
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=21904


Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (Der Vorstand)
Francisco Welter-Schultes, Lukas Flinzberger, Erika Lohe-Saul, Werner Schulze