PM: ADFC-Fahrradklimatest

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung sieht im ADFC-Fahrradtest Hinweis für Handlungsdefizite in jüngster Zeit.

Im ADFC-Fahrrradklimatest ist Göttingen in der Klasse der Städte 100.00-200.000 Einwohner von Platz 1 auf Platz 2 abgerutscht und hat sich in der Schulnote von 3,27 auf 3,51 verschlechtert. Seit dem Bau des Radschnellweges 2014 war die Benotung besser.

Unter den deutschen Großstädten rangiert Göttingen nur noch auf Platz 6 hinter Münster (Note 3,04), Karlsruhe, Freiburg, Erlangen und Kiel. 2018 und 2020 lag Göttingen noch auf Platz 3 im Großstädte-Ranking hinter Karlsruhe und Münster. Auch die Zahl der Großstädte, die Göttingen mit weniger als 0,2 Schulnoten dicht folgen, hat sich von 2 auf 7 erhöht. Die Entwicklung der Göttinger ADFC-Test-Gesamtnoten:

2012: 3,8
2014: 3,4
2016: 3,32
2018: 3,35
2020: 3,27
2022: 3,51

Das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen sieht in diesem Ergebnis einen Hinweis darauf, dass Göttingen beim Thema Radverkehr in den letzten Jahren zu wenig getan hat. Besonders deutlich wird dies auch in der Benotung der Teilfrage “Fahrradförderung in jüngster Zeit”, die sich gegenüber 2020 von 3,3 auf 3,6 besonders stark verschlechtert hat. Die ADFC-Gesamtvergleich zu 2020 für Göttingen lautet “Minus”, eine selten vergebene negative Trendbewertung, die neben Göttingen nur Oberhausen und Ingolstadt erhalten haben. Acht Großstädte erhielten ein Plus.

“Das Abrutschen von Platz 3 auf 6 unter den Großstädten hat damit zu tun, dass andere Städte mehr für den Radverkehr getan haben. Auch Freiburg hat Göttingen überholt – Freiburg hat eine Planung für den ersten überdachten Radweg in Europa umgesetzt. Göttingen muss mehr tun, um Fahrradfahren attraktiver zu machen und um das Problem auszugleichen, dass die Autos immer breiter werden und es für Fahrräder immer enger und unsicherer wird. Wer nichts tut, wird nach hinten durchgereicht”, so Francisco Welter-Schultes, Mitglied des Rates.

Das Fahrradfahren boomt – doch in Göttingen leider nur gefühlt. Die Zahlen an den Zählstellen bestätigen das Gefühl nicht. Göttingen ist die einzige unter den Städten mit Fahrradzählanlagen, in der Radverkehr seit 2016 abgenommen hat. Gegenwärtig liegen die Messwerte bei 90 % des Wertes von 2016 [1]. In Freiburg bei 110 %, Bonn 120 %, Heidelberg 130 %, Stuttgart und Luzern über 140 %.

Nur 5 von 1100 Städten erhielten im Punkt Fahrraddiebstahl eine schlechtere Note als Göttingen (5,3). Es fällt jedoch generell auf, dass etliche Städte mit guten Gesamt-Fahrradbewertungen schlechte Noten beim Punkt Fahrraddiebstahl verzeichnen.

Die zweitschlechteste Note (4,5) erhielt Göttingen für die Führung des Radverkehrs an Baustellen – andere Städte in Spitzenplatzierungen haben das besser im Griff. Im Vergleich mit anderen Städten fallen relativ schlechte Noten für Göttingen zudem bei der Einbahnstraßenöffnung in Gegenrichtung und  bei der Wegweisung auf. Bei der Falschparkerkontrolle auf Radwegen erhält Göttingen hingegen eine im Städtevergleich relativ gute Bewertung, wenn man die Note 4,2 als gut bezeichnen will (der Durchschnitt der Großstädte liegt hier bei 4,8).

Erhebliche Verschlechterungen im Vergleich zu den Vorjahren gab es bei der Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr (von 3,1 in 2016 auf 3,6), beim Winterdienst auf Radwegen (von 3,0 in 2018 auf 3,5) und bei den Ampelschaltungen (von 3,7 in 2018 auf 4,0).

In anderen Fragen gab es wenig Veränderungen oder sogar Verbesserungen. Bei den Fragen zur Erreichbarkeit des Stadtzentrums, der Medienberichte und der Werbung für das Fahrradfahren gab es kaum Veränderungen. Verbessert haben sich die Bewertungen bei der Frage der Konflikte mit Fußgängern (von 3,9 in 2018 auf 3,4).

Das BfnS unterstützt ausdrücklich die Forderung des ADFC, die bundesweiten Gesetze und Richtlinien zu reformieren und die Verkehrsplanung nicht mehr einseitig auf den Autoverkehr auszurichten. Der Grundsatz, dass der fließende Verkehr gegenüber dem ruhenden Verkehr Vorrang hat, muss per bundesweiter Regelung so ausgelegt werden, dass der fließende Radverkehr Vorrang vor dem ruhenden Autoverkehr hat. Je breiter die Autos werden, desto stärker benötigt das Fahrrad den Schutz durch eine angemessene Verkehrsplanung und Richtlinien, die diesen Schutzraum verlässlich bereitstellen. Das Verkehrsrecht hinkt der Entwicklung hinterher.

Vor allem hinkt Deutschland der Entwicklung in den Niederlanden 40 Jahre hinterher.

Quellen

[1] Daten extrahiert aus: https://data.eco-counter.com/ParcPublic/?id=4586#
Rostock: https://data.eco-counter.com/public2/?id=100005395
Stuttgart: https://data.eco-counter.com/public2/?id=100034882
Bonn: https://data.eco-counter.com/public2/?id=100019810
Luzern: https://data.eco-counter.com/public2/?id=100058436
Freiburg: https://data.eco-counter.com/public2/?id=100004595
Heidelberg: https://data.eco-counter.com/public2/?id=100012608


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